Trauer um OLKR i.R. Dieter Auerbach
Am 14. September 2021 starb der außerordentliche Domherr und ehemalige Propst des Domkapitels Meißen Oberlandeskirchenrat i.R. Dieter Auerbach im Alter von 88 Jahren. Er wurde am Michaelistag, dem 29. September 2021, in Radeberg, seinem letzten Wohnort, bestattet. Die große Familie Auerbach, Mitglieder der Kirchgemeinden in denen er wirkte, Vertreter des Landeskirchenamtes und vieler kirchlicher Werke, die mit ihm gemeinsam tätig waren, sowie weitere Weggefährten begleiteten ihn zu seiner letzten Ruhestätte.
Dieter Auerbach, 1933 in Plauen im Vogtland in einer Lehrerfamilie geboren und seit 1937 in Leipzig aufgewachsen gehörte zu jener Generation, die noch die Schrecken des 2. Weltkrieges erlebt hatte und bewusst nach neuen Wegen im Nachkriegsdeutschland suchte. Zweifellos waren Erfahrungen wie der frühe Tod des Vaters, der 1940 im Frankreichfeldzug fiel, oder die verheerenden Bombenangriffe auf Leipzig für seine Leben prägend. Hilfe, diese Erfahrungen zu verarbeiten, fand er im christlichen Umfeld, auf das seine seit dem Tod des Vaters allein erziehende Mutter großen Wert legte. Die evangelisch-lutherischen Kirchgemeinden der Stadt boten ein solches Umfeld für Kinder und Heranwachsende. Sie unterhielten christliche Kindergärten und sorgten für lebendige Kinder- und Jugendkreise. In der traditionsreichen Thomasschule erwarb sich Dieter Auerbach nicht nur eine gute Grundlage für sein späteres Studium. Er fand unter Lehrern und Mitschülern auch genügend geistige Anregung und Offenheit für die Auseinandersetzungen jener Zeit. Schon früh fällte er eine Lebensentscheidung. Als Pfarrer und Seelsorger wollte er zur „inneren Erneuerung“ seines Volkes beitragen. Diese erschien ihm noch bedeutsamer als alle äußeren Neuordnungen. Dabei war ihm die Bedeutsamkeit der sozialen Lebensbedingungen wohl bewusst. So nahm er nach Abschluss des Theologiestudiums eine Lehre als Möbeltischler auf, um die Arbeitswelt der Menschen, die ihm als Seelsorger anvertraut würden, tiefer zu verstehen. Darüber hinaus stellte er sich damit auf eine für möglich gehaltene Zukunft ein, in der die Kirche ihre Pfarrer nicht mehr ausreichend besolden könnte. Erst nach erfolgreichem Abschluss der Lehre bewarb sich Dieter Auerbach zum Dienst in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens. Er verstand sich fortan stets in erster Linie als Pfarrer und Seelsorger. Das änderte sich nicht, als er Superintendent, Oberlandeskirchenrat oder Dompropst zu Meißen wurde. Daran hielt er auch fest als er in den Ruhestand trat.
Nach anderthalb Jahrzehnten Dienst als Pfarrer in Seifersdorf bei Radeberg und umliegenden Dörfern sowie einer kurzen Amtszeit in Radebeul wurde Dieter Auerbach im Jahre 1973 zum Superintendenten des Kirchenbezirkes Meißen berufen. Zur Superintendentur Meißen gehörten damals mehr als 40 Pfarrstellen. Dem Superintendenten oblag als leitendem Geistlichen die unmittelbare Dienstaufsicht über die Pfarrer einschließlich Ordinationen, Amtseinführungen und Verabschiedungen. Dazu trat die Mitwirkung an der Rechtsaufsicht über die 54 Kirchgemeinden seines Bereiches und die Führung der Geschäfte des Kirchenbezirkes. Nicht zuletzt war dem Meißner Superintendenten als Inhaber der 1. Pfarrstelle der Frauenkirchgemeinde auch ein Seelsorgebezirk in jener Gemeinde zugewiesen. Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, wie aufgeschlossen und engagiert Dieter Auerbach den nebenamtlichen Dienst am Hochstift Meißen als Dompfarrer wahrnahm.
Offenbar kam die 1000 Jahre alte Stiftung seinem historischen Denken entgegen. Der Dom zu Meißen verkörpert nicht nur die geistige Grundlage, auf der sich die Entwicklung von der Mark Meißen zum Freistaat Sachsen vollzog. An ihm lassen sich auch wesentliche historische Wendepunkte ablesen. So verweist er auf die gemeinsamen Wurzeln evangelischer und katholischer Christen in der Region und mahnt so zu ökumenischer Offenheit. Nicht zuletzt gehört der Meißner Dom zu den wertvollsten Kulturgütern des Bundeslandes Sachsen.
Dieter Auerbach störte sich nicht am altertümlichen Aufbau des Hochstiftes Meißen als eigener kirchlicher Körperschaft des öffentlichen Rechts innerhalb der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens. Er erkannte die Möglichkeiten, die sich aus der besonderen Stellung des Domes für die christliche Verkündigung gegenüber Nichtchristen, ganz besonders aber auch für das Miteinander von katholischen und evangelischen Christen ergeben. Acht Domherren vertreten das Hochstift Meißen als Eigentümerin des Domes. Mit ihren beruflichen und persönlichen Netzwerken sind sie nicht unwesentlich an der Vielfalt des geistlichen Lebens am Dom beteiligt. Als Dieter Auerbach seine Tätigkeit am Dom aufnahm, standen der Landeshistoriker Dr. Karlheinz Blaschke als Domdechant und der Professor für systematische Theologie an der Universität Leipzig, Dr. theol. Ernst Sommerlath, hochgeschätzter Onkel der Königin Silvia von Schweden, als Dompropst dem Domkapitel vor.
Im Jahre 1983 wurde Dieter Auerbach in das Landeskirchenamt berufen. Beinahe zeitgleich erfolgte seine Berufung in das Domkapitel Meißen. Im Herbst 1992 löste er den Nachfolger Ernst Sommerlaths, den praktischen Theologen an der Universität Leipzig und Rundfunkprediger Professor Dr. Heinz Wagner im Amt des Propstes ab. Bis weit in seinen Ruhestand hinein widmete sich Dieter Auerbach seinen Aufgaben als Dompropst. Erst im Jahre 2009 gab er das Amt an seinen Nachfolger weiter. In seine Wirkungszeit als Propst fallen wichtige Ereignisse am Hochstift Meißen, so die große Domrestaurierung der Jahre 1992 bis 2002 unter Dombaumeister Günter Donath, der dabei eng mit dem Domherrn und Landesdenkmalpfleger Prof. Dr. Dr. h.c. Heinrich Magirius zusammen arbeitete, die Wiederweihe der Allerheiligenkapelle als Ort der Stille, der Andacht und des Gebetes im Jahre 1998, die Einrichtung des Dommuseums unter Federführung des Domdechanten Prof. Dr. Karlheinz Blaschke in den Jahren 1999/2000 oder die ökumenische Benno-Vesper im Dom im Jahre 2006, die mehr als 40 Geistliche und 1000 Besucher in dem ehrwürdigen Gotteshaus vereinte.
Soweit es seine Kräfte zuließen brachte Oberlandeskirchenrat i.R. Dieter Auerbach in den letzten 12 Jahren seines Lebens auch als außerordentlicher Domherr seine Erfahrungen in die Arbeit am Dom ein.
Das Hochstift Meißen verdankt seinem ehemaligen Propst sehr viel. Die Welt der unmittelbaren Nähe Gottes jenseits des Todes ist uns nicht verfügbar. Doch der Dom zu Meißen weist in eindrucksvoller Weise auf diese Welt hin. Möge Dieter Auerbach dort den Gott der Gnade schauen, dem er in seinem Leben vertraut hat.
Andreas Stempel
Dompropst

